Freiheit versprochen

Rechtsanwalt Vogel in Bautzen II

Peter Naundorf erinnert sich an den Besuch von Rechtsanwalt Wolfgang Vogel am 15. Dezember 1989 in Bautzen II. Der DDR-Unterhändler für Häftlingsfreikäufe in die Bundesrepublik und Agentenaustausche zwischen Ost und West verspricht, dass die politischen Häftlinge noch vor Weihnachten 1989 in Freiheit sein werden.

“Am 15. Dezember aber wurde es für uns noch einmal interessant. Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der für die DDR bisher den Gefangenenaustausch zwischen Ost und West verhandelt hatte, teilte an diesem Tag mit, dass alle Strafgefangenen aus der Bundesrepublik und der DDR, die wegen Spionage, Landesverrat und Menschenhandels verurteilt worden waren, noch vor Weihnachten freikämen und erläuterte den Ablauf. Zwischenrufe kamen: ‘Wer´s glaubt, wird selig!’ ‘Bisher wurde nur gelogen.’ Vogel erwiderte, dass wir uns auf sein Wort verlassen könnten. Die Ausreise würde ausschließlich über Westberlin erfolgen. Wir würden mit Fahrzeugen in sein Büro nach Ostberlin gebracht und von dort über die Grenze. Ich bekam eine Liste mit den Entlassungsterminen für die einzelnen Gefangenen. Zwischen dem 18. und 22. Dezember würden wir frei sein. Mir schlug das Herz bis zum Halse.“

Quelle: Nitsche, Sybille: Knast-Revolte. In Bautzen II, dem Gefängnis für politisch Inhaftierte, treten die Häftlinge in einen Hungerstreik und gründen einen Gefangenenrat, in: Links, Christoph/ Nitsche, Sybille/ Taffelt, Antje (Hg.): Das wunderbare Jahr der Anarchie. Von der Kraft des zivilen Ungehorsam 1989/90, Berlin 2009, S. 84-90.