Die Sächsische Zeitung berichtet

Neue Pressefreiheit und alte Staatstreue

Die Sächsische Zeitung berichtet

Am 8. Dezember 1989 berichtet die Sächsische Zeitung über die Pressekonferenzen in Bautzen II an den beiden Tagen zuvor. Sie gibt die Forderungen der Gefangenen und ihre Enttäuschung über die am 6. Dezember 1989 erlassene Amnestie bekannt.

Aus dem Artikel:

“Während es im ‘Gelben Elend’, dem Strafvollzug Bautzen I, nach Verkündigung der Amnestie am Mittwoch im ersten Moment zu Freudenausbrüchen kam, war die Reaktion in Bautzen II, für viele eine Art Sonderstrafvollzug der ehemaligen Staatssicherheit, genau entgegengesetzt. Denn kaum einer der dort einsitzenden Strafgefangenen ist von dieser Amnestie betroffen. Und so war die Forderung Nummer 1 der seit Sonntag bzw. Dienstag im Hungerstreik stehenden Häftlinge – die Generalamnestie – leidenschaftlich besprochenes Thema einer gestrigen Pressekonferenz in der Haftanstalt. […] [F]ast alle sahen sich in diesem Kreis der 112 Häftlinge das erste Mal gemeinsam, […] die ‘Mauer‘ [war] auch hier durchlässig geworden, […] Ehepaare [saßen] nebeneinander, wie lange nicht. Wichtigster Gast war neben den anwesenden Vertretern der Kirchen, Medien sowie des Neuen Forums der Berliner Rechtsanwalt Grischa Worner als direkter Beauftragter von Dr. Gysi. […] Es wurde die sofortige Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission gefordert, die jeden Fall und jedes Urteil der hier einsitzenden Häftlinge – darunter allerdings auch fünf Kriegsverbrecher, wegen Mordes und Sittlichkeitsverbrechen Verurteilter – auf gerechtes Strafmaß prüfen sollte. […] Allerdings, so einer der Strafgefangenen unter dem Beifall aller, wollten sie nicht Wochen warten bis zur Verkündung des Untersuchungsbefundes, wo mancher Tatbestand in den rasanten politischen Vorgängen der letzten Wochen schon gegenstandslos geworden sei.”

Quelle: Sächsische Zeitung, 8.12.1989, Archiv Gedenkstätte Bautzen.