Von Generalamnestie bis Unterhaltungselektronik

Erklärung und Forderungen der Gefangenen

Am 4. Dezember 1989 legen die ersten Häftlinge in Bautzen II ihre Arbeit für den VEB Schaltelektronik Oppach nieder. Die Häftlinge aus der Bundesrepublik und aus West-Berlin, die getrennt von den DDR-Häftlingen untergebracht sind, treten an diesem Tag in den Hungerstreik. Über die Presse drangen Informationen über die bereits seit Tagen anhaltenden Proteste in Bautzen I auch in das Innere von Bautzen II. Nach dem Vorbild der dort Streikenden gründen die Häftlinge in Bautzen II einen Gefangenenrat, der gegenüber der Gefängnisleitung und der DDR-Führung die sofortige Verbesserung der Haftbedingungen und letztlich die Entlassung der politischen Häftlinge fordert.

SOFORTMAßNAHMEN

  1. Freier, unzensierter, nicht limitierter Briefverkehr zu allen von den Strafgefangenen gewünschten Personen ohne Genehmigungszwang.

  2. Neuregelung der Besuchsdurchführung im Hinblick auf eine erweiterte Anzahl der Besuche.
    Zulassung von Kindern und Enkelkindern von Strafgefangenen unabhängig ihres Alters sowie die Erweiterung des Personenkreises unabhängig vom Verwandtschaftsgrad.
    Die Dauer der Besuche sollte mindestens 2 Stunden betragen.
    Eine Erweiterung der Kontaktmöglichkeiten von Ehepartnern bzw. Lebensgefährten, die innerhalb der STVE Bautzen II inhaftiert sind.

  3. Unbürokratische Genehmigung von Außensprechern und die Gewährung von Hafturlaub zur Vermenschlichung des Strafvollzuges entsprechen den internationalen Maßstäben.

  4. Sofortige Bildung einer unabhängigen Ärztekommission zur Überprüfung des Gesundheitszustandes der Strafgefangenen sowie der Hafttauglichkeit bestimmter Personen.
    Weiterhin wird die Weiterzahlung von Renten während der Haft erklärt.

  5. Sofortige Genehmigung des Bezuges westlicher Presseerzeugnisse und des Empfanges von Fernsehsendungen der ARD und des ZDF einschließlich Farbfernsehen für alle Kommandos.

  6. Erlaubnis zur Benutzung von eigener Unterhaltungselektronik wie Radio, Walkman, Fernsehgerät und eigener Tonträger.

  7. Möglichkeit des Ausleihens einer Schreibmaschine und des käuflichen Erwerbs des dazugehörigen Schreibpapiers.

  8. Möglichkeit der gemeinsamen sportlichen Betätigung (Fitnis-center) [sic!].

  9. Auf Wunsch Erlaubnis zum Tragen von Zivilkleidung bei der Arbeit und in der Freizeit.

  10. Erweiterung des Warenangebots in der Verkaufsstelle.

  11. Eine bessere und vitaminreichere Verpflegung bei gleichzeitiger Erhöhung des Verpflegungssatzes.

  12. Rechtzeitige Information des Strafgefangenen über bevorstehende Entlassung bzw. Verlegung in einen anderen Strafvollzug.

  13. Einstellung jeglicher Bespitzelung der Strafgefangenen sowohl untereinander, als auch deren Zusammenarbeit mit den SV-Angehörigen.

Quelle: Archiv Gedenkstätte Bautzen.