Aufstand wird geduldet

Gefangenenrat tritt Anstaltsleitung gegenüber

Peter Naundorf erinnert sich an den Beginn des Häftlingsstreiks in Bautzen II. Er selbst war in diesen Tagen Sprecher des Gefangenenrats.

“Wir bildeten einen Gefangenenrat. Ich wurde der Sprecher. Eine unserer ersten Handlungen war, dass wir der Gefängnisleitung die Wärter nannten, die uns schikaniert und drangsaliert hatten. Wir bestanden darauf, dass wir die nicht mehr zu sehen bekommen. Dann stellten wir eine Liste mit Forderungen zusammen. Wir verlangten, dass ab sofort die Zellen nicht mehr verschlossen werden, dass sofortige Ende der Stasi-Tätigkeit in Bautzen II, die Überprüfung der Urteile, die Abschaffung politisch motivierter Straftatbestände, Hafterleichterungen wie die Abschaffung der Isolationshaft und den Zutritt der Medien. Besonders letztgenanntes war uns ungeheuer wichtig, denn wir hatten wahnsinnige Angst, Angst, dass die uns doch noch abknallen. […] Am 5. Dezember wurden unsere Forderungen verstümmelt im Radio wiedergegeben. Nun drohten wir, den Arbeitsstreik in einen Hungerstreik auszuweiten, wenn wir nicht umgehend Kontakt zur Öffentlichkeit bekämen. Außerdem bestanden wir darauf, dass jene Stahltür, die zu der direkt neben dem Knast liegenden Kreisdienststelle der Stasi führte und durch die die Stasi-Mitarbeiter im Gefängnis ein- und ausgegangen waren, zugeschweißt wird. Es wurde tatsächlich gemacht.”

Quelle: Nitsche, Sybille: Knast-Revolte. In Bautzen II, dem Gefängnis für politisch Inhaftierte, treten die Häftlinge in einen Hungerstreik und gründen einen Gefangenenrat, in: Links, Christop/ Nitsche, Sybille/ Taffelt, Antje (Hg.): Das wunderbare Jahr der Anarchie. Von der Kraft des zivilen Ungehorsam 1989/90, Berlin 2009, S. 84-90.